Samstag, 2. Juli 2016

Wilfried F. Noisternig: Wie viel Erde braucht der Mensch?

Wilfried F. Noisternig:  
Wie viel Erde braucht der Mensch?
Lebensspuren eines Bergbauern - 
Ein fotografisches Porträt
Mit der gleichnamigen Erzählung von Leo Tolstoi




„I hun alleweil g’rad so viel getan, wia sich’s aus‘gangen isch.“



Es dürfte schon etwas Besonderes sein, wenn ein fotografierender Arzt mit künstlerischen Ambitionen das Leben eines Bergbauern begleitet und Momente des bäuerlichen Lebens sensibel mit der Kamera festhält. Und daraus ein besonderes Buch, einen besonderen Bildband zu gestalten, hat der Tyrolia-Verlag geschafft. Dies mit einer Erzählung von Leo Tolstoi zu kombinieren ist die weitere Besonderheit dieses einfühlsamen Bauernporträts.





Früh, mit sechs Jahre, ist er Waise geworden, mit 27 Jahren ist die Ziehmutter gestorben, seither lebt er allein auf dem Kugler Hof im Tiroler Wipptal. Seit Jahrzehnten, seit fast sechzig Jahren, bewirtschaftet er ihn ohne fremde Hilfe, in Handarbeit, ohne Unterstützung von modernen Maschinen. Und er ist immer gern ein Bauer gewesen. Trotz der harten Arbeit, trotz Alleinsein. 





Wie viel genug sein kann – ein Bauernleben in Bildern und Zitaten

Bescheiden war er, der Kugler-Bauer. Viel hat er nicht gebraucht. Um es mit Tolstoi zu sagen: Viel Erde braucht der Mensch nicht, um zu leben. Besitzt man eine innere Zufriedenheit, kommt man mit recht wenig Erde aus.





Es ist ein behutsames Porträt eines Hofes, das der Autor und Fotograf mit seinen zartfarbenen, pastellfarbigen Fotos da zeichnet – von einem Flecken Erde, auf dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Aber auch das eines Menschen, der abseits von Konsum und Hektik des modernen Alltags ein genügsames aber glückliches Leben lebt. 





Der Bauer und sein Alltagsleben, sensibel dokumentiert

Für dieses stille und doch eindringliche Buch hat Wilfried F. Noisternig das tägliche, aber keineswegs alltägliche Leben eines Bauern mit Leib und Seele dokumentiert. Neben Aufnahmen des Kugler-Bauers in seinem Alltag erfährt man viel vom Hof, von innen und von außen, vom Umfeld, von Zäunen und wie sie gebaut werden, vom Heuen, von Feld und Wald.





Ist der Bauer ein früher Aussteiger? Ein Konsumverweigerer? Mit Sicherheit nicht. Bei solchen Motiven stecken andere Gedanken dahinter. Der Kugler-Bauer lebt wie er lebt, wie es das Schicksal für ihn gewollt hat. Einfach, zufrieden, trotz harter Arbeit.





Durch Noisternigs Texte und Fotografien werden jene grundlegenden Fragen angesprochen, die Menschen heute in traditionell bäuerlich geprägten Gebieten aber auch darüber hinaus besonders bewegen: Kann Landwirtschaft in unserer Zeit noch nach ökologischen und nachhaltigen Gesichtspunkten betrieben werden? Wie gelingt ein zufriedenes Leben abseits des Konsums und der Hektik des modernen Alltags? Also eben um mit Tolstoi zu sprechen: Wie viel Erde braucht der Mensch schlussendlich wirklich?





Passend zum Inhalt des Buches: Es ist auch optisch und haptisch ein gelungenes Werk. Mit Leineneinband, zartem Druck und gelungenem Layout. Man wird es immer wieder gerne in die Hand nehmen - vielleicht um auch selbst wieder auf den Grund menschlichen Lebens zurückzukommen. Ein beeindruckendes Werk, ein Werk, das zum Nachdenken anregt. Nicht umsonst wurde die Herausgabe von Regierung und der Tiroler Versicherung unterstützt.



Zum Autor:

Dr. Wilfried Noisternig, geboren 1959 in Matrei a. Br., Arzt für Allgemeinmedizin in Navis, neben seinem Beruf ist vor allem die Fotografie seine große Leidenschaft, die Kamera eine ständige Begleiterin in Freizeit und auf Reisen. Seit 2002 Vertiefung in die künstlerische Fotografie durch Teilnahme an diversen Seminaren und Workshops.



Wilfried F. Noisternig: Wie viel Erde braucht der Mensch? Lebensspuren eines Bergbauern - Ein fotografisches Porträt. Mit der gleichnamigen Erzählung von Leo Tolstoi. 120 Seiten, 78 farb. Abb., 22 x 27 cm, in Leinen gebunden. Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien 2016. ISBN 978-3-7022-3573-4. € 34,95.



Weitere Fotos aus dem Bildband:










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Dieter Buck
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